Freischuss [2010]

Freischuss

19.01.2010 – 19.02.2010

Lichthof Ost in der Humboldt-Universität zu Berlin

Genau lässt es sich nicht feststellen, aber es könnte ein besonders verständnisvolles Familienoberhaupt oder auch ein strenger Lehrer gewesen sein, der irgendwann den berühmten Ausspruch Senecas d.J. „Non vitae, sed scholae discimus“ umdrehte und so kurzerhand eines der ausdauerndsten Mantren bürgerlicher Erziehung schuf:

„Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir.“

Die Frage danach, wann genau es denn nun anfange, dieses Leben, ob schon nach der Schule oder vielleicht erst in der Folge eines ausgiebigen Universtitätsstudiums, ist dabei traditionell ebenso übergangen worden wie der leise aber hartnäckige Verdacht, Schule und Bildung könnten unter Umständen mehr sein als reine Vorbereitung auf einen in abstrakter Ferne aufblitzenden „Ernst des Lebens“.

Mit ihrer Ausstellungsarbeit will die wiedergegründete Kleine Humboldt Galerie gerade solche Fragen nach Bildung, Ausbildung und sonstigen Lernprozessen stellen, die zwar zuletzt im Rahmen bologneser Hochschulpolitik heiß diskutiert, sonst aber allzu oft als selbstverständlich übergangen wurden.

Freischuss, die erste Ausstellung in dieser Reihe, lässt daher den historischen Lichthof der Humboldt-Universität zu einem Bildungsraum werden, der – anders als Klassenzimmer, Seminarsaal und Auditorium – Irrwege, Mittagsschläfe und sonstige Zickzackkurse ausdrücklich erlaubt: Mit Mobiliar aus kürzlichen aufgelösten Zweigbibliotheken der Universität wird eine Ausstellungsarchitektur geschaffen, der abwechselnd an Lesesaal, Mensa und Pausenhof denken lässt.

Zusammengebracht werden auf dieser Plattform zeitgenössische Kunstwerke unterschiedlicher Gattungen, in denen verschiedene Grundprinzipien von Entwicklungs-, Lern- und Bildungsvorgängen eine Rolle spielen. Exponate aus der zoologischen Sammlung der Humboldt-Universität dienen als Leitmetapher: Sie zeigen Exemplare solcher Tiergattungen, die auch nach dem Erreichen der Geschlechtsreife nie aufhören zu wachsen und können so für einen Bildungsweg stehen, der nicht nach Erreichen eines wie auch immer gearteten Lebensziels ein jähes Ende findet.

Den Titel der Ausstellung bildet die umgangssprachliche Bezeichnung einer in verschiedenen Studienordnungen zu findenden Regel, nach der das Nichtbestehen einer Prüfung im ersten Anlauf „verziehen“ wird. Nicht zuletzt ist er dabei in Bezug auf die Positionierung dieser ersten Ausstellung in einer hoffentlich längerfristig wiederaufgenommenen Arbeit der Kleinen Humboldt Galerie zu verstehen.

Die Pressemitteilung sowie Informationen zu den Künstlern zum Download als PDF

Werksliste

1 | Slavs and Tatars, Wrong & Strong, 2005
6 Offset prints mounted on MDF – board

2 | Dan Rees, Things I Did When I Was A Young Man, 2007
Courtesy Tanya Leighton Gallery, Berlin
includes (from left to right):
– Variable Peace (Jonathan Monk), 2006
Video
– What is Gillian Wearing?, 2005
Photography
– A Cup of Tea with Gavin Turk, 2007
Tea on Somerset paper
[An original edition by Gavin Turk titled Tea Stain, with an added tea stain from myself]
– Holiday Money, 2006
Coins, Card
[Holiday drawings are made using coins collected on various trips and holidays abroad]
– All the money in my pocket, 2010
pencil on paper

3 | Ariel Reichman, Hara (Scheiße), 2010
Courtesy of PSM
Video 2:03 Min.

4 | David Levine, Bauerntheater (Dokumentarfilm), 2007
Video 30:00 Min.

5 | Martin Kohout, Script Pad, 2010
Mixed media on paper

6 | Gareth Moore, Back here you can’t see the ground through the snow, 2010
Stone, receipt, graphite, paper

7 | Benjamin Saurer, Ohne Titel, 2010
Mixed media installation

8 | Erica Baum, Card Catalogues, 1996/97
Silver Gelatin print
Courtesy Lüttgenmeijer, Berlin

Künstler*innen

Erica Baum
Martin Kohout
David Levine
Gareth Moore
Dan Rees
Ariel Reichman
Benjamin Saurer
Slavs and Tatars

Kuratiert von Gregor Quack.

Besonderen Dank gilt Dr. Angelika Keune, Dagmar Oehler, EvaMaria Kolb, Dr. Steffen Hofmann, Prof. Gerhard Scholtz, Carson Chan, Clement Rognant, Annika Rixen, Robert Meijer, Nadine Helm, Constance Krüger.

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